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DHB-Nationalspieler Lukas Zerbe ist nicht mehr nur „der Neffe von...“

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Von: Marvin K. Hoffmann

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Lukas Zerbe hat einen berühmten Onkel. Für den DHB spielt er bei der Handball-WM 2023 in Polen und Schweden aber selbst eine wichtige Rolle. Interview.

Dortmund/Hamm – Lukas Zerbe, Rechtsaußen beim Bundesligisten TBV Lemgo Lippe, ist der Neffe des berühmten deutschen Handballers Volker Zerbe. Mittlerweile trägt der 26-Jährige selbst das Trikot der Nationalmannschaft und ist Teil des DHB-Kaders für die Spiele bei der WM 2023 in Polen und Schweden vom 11. bis 29. Januar.

Im Interview mit wa.de spricht der 1,84 Meter große Linkshänder über die Fußstapfen seines Onkels sowie die Vorbereitung auf das Turnier mit den beiden Testspielen gegen Island, die live im Free-TV übertragen werden. Der Linkshänder verrät außerdem, wie Handball-Bundestrainer Alfred Gislason tickt, was die Sportart Handball so besonders macht – und seinen größten Geburtstagswunsch.

Herr Zerbe, Sie spielen auf der Rechtsaußen-Position: Dreher, Heber oder mit voller Kraft ins lange Eck?

Schnörkellos, fest und hoch ins lange Eck (lacht). Ich werfe wenige Heber oder Dreher – lieber fest mit allem, was ich habe, in die Ecke, die frei ist.

Woher kommt das?

Ich habe früher auch in der Jugend nie viele Heber oder Dreher versucht. Wenn ein Torwart die hält, sieht es immer ein bisschen blöd aus. Gerade bei den entscheidenden Dingern.

Schnörkelos und geradlinig: Beschreibt Sie das auch als Spielertyp?

Ja, das würde ich schon sagen. Ich bin nicht der allergrößte, deswegen war meine Position schon immer eher Außen. Ich bin schnell und habe die Sprungkraft, daher passt das schon recht gut zu mir. In der Jugend habe ich auch im Rückraum gespielt – aber grundsätzlich fühle ich mich außen wohler.

DHB-Spieler Lukas Zerbe ist der Neffe von Handball-Legende Volker Zerbe

Rückraum und Zerbe, da klingelt’s doch... Ihr Onkel Volker war in der Handball-Bundesliga und im DHB-Trikot äußerst erfolgreich. Er wurde unter anderem im Jahr 2004 Europameister. Nervt es Sie, dass Sie manchmal nur „der Neffe von...“ sind?

Früher war das extrem. Da wusste ich auch nie so ganz, wie ich damit umgehen soll. Aber heute nehme ich das mit einem Lächeln hin. Alles, was Volker im Handball erreicht hat, möchte ich auch erreichen. Von daher war mein Onkel auch schon immer mein sportliches Vorbild. Mich stört es nicht, darauf angesprochen zu werden – trotzdem möchte ich mir im Handball einen eigenen Namen machen.

Dabei helfen, dass Volker Zerbe bald „der Onkel von…“ ist, könnte eine gute Weltmeisterschaft. Wie läuft die Vorbereitung mit der Nationalmannschaft auf das Turnier, das am 11. Januar in Polen startet?

Wir sind sehr fokussiert, und man merkt, dass alle richtig Bock haben. Jeder will etwas bewegen, und die Stimmung ist top. Die Zeit, in der wir zusammen trainieren, wird intensiv genutzt, damit wir unsere Feinabstimmungen in Angriff und Abwehr noch finden. Das läuft im Moment echt super.

Feinabstimmungen sind der Schlüssel. Im Verein verbringen Sie viel mehr Zeit mit Ihren Mitspielern. Wie schaffen Sie es, dass auch bei der Nationalmannschaft alle Absprachen auf dem Feld passen? Vor der WM 2023 gibt es schließlich nur wenige gemeinsame Einheiten.

Die Abstimmung zwischen Torhütern und den Abwehrspielern benötigt natürlich ihre Zeit, das ist schon komplex. Da helfen Wiederholungen, Wiederholungen und Wiederholungen. Auch im Angriff, beispielsweise bei den Spielzügen, die ganzen Timing-Dinge zwischen Rückraum und Kreis und so weiter. Das ist im Verein selbstverständlich einfacher. Daher müssen wir die Zeit, die wir als Nationalmannschaft gemeinsam verbringen, umso besser nutzen.

Volker Zerbe, der Onkel von Lukas, hier im Jahr 2003 beim Sprungwurf, feierte mit Deutschland 2004 die Europameisterschaft.
Volker Zerbe, der Onkel von Lukas, wurde mit Deutschland 2004 Handball-Europameister. © Tobias_Heyer/dpa

Wo sehen Sie noch die größte Baustelle?

Unser Angriff läuft schon richtig gut, finde ich. Ich denke nur, wir dürfen nicht zu kompliziert spielen und müssen uns auf die einfachen Dinge konzentrieren. Unsere Abwehr in Zusammenspiel mit dem Torhüter müssen wir noch stabilisieren. Wenn wir gut in der Abwehr stehen, können wir auch einfache Tore erzielen durch Gegenstöße oder die zweite Welle.

Bundestrainer Alfred Gislason sagte unlängst in einem Interview mit der Handballwoche, dass er Sie mit der WM-Nominierung für Ihre guten Leistungen in der Bundesliga belohnen wollte. Mit dem TBV Lemgo Lippe stehen Sie aktuell auf dem 13. Platz mit 14 Punkten, Sie selbst haben in 17 Spielen 41 Tore geworfen. Wie sehr haben Sie sich über diese Bestätigung und das Vertrauen des DHB-Coaches gefreut?

Enorm. Ich freue mich immer, wenn der Bundestrainer mich anruft und mich nominiert. Es ist jedes Mal aufs Neue ein unbeschreibliches Gefühl, für Deutschland auflaufen zu dürfen. Ich freue mich auch genauso über Nominierungen für Lehrgänge – jetzt auch noch bei einem so großen Turnier wie der Weltmeisterschaft 2023 in Polen und Schweden dabei zu sein, ist großartig.

Wie tickt Alfred Gislason als Trainer der deutschen Nationalmannschaft?

Er ist es sehr akribischer Trainer und hat den Handball verstanden. Er analysiert sehr viel und schaut sich sehr viele Videos an, er bereitet sich unheimlich gut vor. So sehen die Trainingseinheiten auch aus. Er versucht an jeder noch so kleinen Schraube zu drehen, um uns optimal auf den nächsten Gegner vorzubereiten.

Für welche Art des Handballs steht er dabei?

Alfred Gislason steht für eine kompakte Abwehr. Hinzu kommt mit unserem 3-2-1-Deckungssystem noch eine beweglichere Variante. Wir haben nicht die größten Spieler, sind aber sehr beweglich auf den Beinen. Er vermittelt uns, dass wir so spielen können, wie es für uns am besten ist.

Passt diese Spielweise zu Ihnen als flinker Rechtsaußen?

Auf jeden Fall. Ich mag es, mit Tempo nach vorne zu spielen und aus einer guten Deckungsarbeit heraus die schnellen, einfachen Tore zu erzielen. Da kommt mir meine Schnelligkeit gelegen.

Welche Rolle nehmen Sie im DHB-Team ein? Bei Lemgo sind Sie Kapitän – müssen Sie jetzt etwas zurückstecken, weil andere vielleicht noch erfahrener sind?

Wir haben nicht den ‚einen Star‘ bei uns in der Mannschaft, sondern sind ein komplettes Team. Wir ziehen alle an einem Strang und unterstützen uns auch gegenseitig. Es gibt keine Hierarchie, bei der irgendwer über dem anderen steht.

Ein gesunder Konkurrenzkampf ist dennoch vorhanden, oder?

Natürlich, aber das hat man überall. Wir sind Leistungssportler. Trotzdem gönnt man jedem seine Spielanteile und unterstützt sich gegenseitig. Ich kann etwa von Patrick noch viel lernen. Er ist ein erfahrener Bundesligaspieler mit vielen Einsätzen bei der Nationalmannschaft. Es ist überragend für mich, mit ihm gemeinsam zu trainieren.

Sie sprechen von Rechtsaußen Patrick Groetzki. Der Kapitän der Rhein-Neckar Löwen ist mit seinen 33 Jahren und 156 Nationalmannschaftseinsätzen der älteste und erfahrenste Akteur im WM-Kader. Unterstützen Sie sich gegenseitig?

Jeder versucht, sich einzubringen. Wenn jemand Verbesserungsvorschläge hat, dann sagt er das seinem Mitspieler. Wenn mal einer verwirft, baut man ihn wieder auf. So unterstützt man sich gegenseitig – trotzdem gibt es ein gesundes Konkurrenzdenken.

DHB-Spieler Lukas Zerbe feiert während der Handball-WM 2023 in Polen und Schweden seinen Geburtstag

Insgesamt scheint die Stimmung innerhalb der Mannschaft sehr gut zu sein. Noch besser könnte sie am 17. Januar sein: Da steht ein WM-Spiel gegen Algerien an – und sie haben Geburtstag.

(lacht) Ich hatte auch schon während der letzten Europameisterschaft Geburtstag. Da hatten wir allerdings spielfrei. Ich habe einen Kuchen bekommen, und die Mannschaft hat mir ein Ständchen gesunden. Ich denke, dass es in diesem Jahr ähnlich laufen wird. Das schönste Geschenk wäre ohnehin, gegen Algerien an meinem Geburtstag zu gewinnen und verlustpunktfrei in die Hauptrunde einzuziehen.

Worauf wird es ankommen, damit das gelingt?

Wir müssen zunächst einmal die Testspiele jetzt gegen Island nutzen. Das ist ein sehr starker Gegner, der auch eine gute Rolle bei der WM 2023 spielen wird. Da werden wir direkt sehen, wo wir stehen und an welchen Stellschrauben wir noch drehen müssen. Dann gilt es, gut ins Turnier zu starten. Wir müssen uns direkt Selbstvertrauen holen und in einen Turnier-Flow kommen.

Wer ist Titelfavorit?

Das sind die üblichen Verdächtigen wie Titelverteidiger Dänemark und Schweden als amtierender Europameister mit dem zusätzlichen Heimvorteil. Aber auch die Norweger darf man nicht unterschätzen, auch nicht die Spanier. Und Frankreich als Olympiasieger ohnehin.

Lukas Zerbe: Handball ist durch neue Anwurf-Regel noch attraktiver geworden

Worauf können sich die Zuschauer der anstehenden Handball-WM am meisten freuen? Auf die Rechtsaußen?

(lacht) Das auch. Aber im Ernst: Ich würde jedem raten, einfach diese tolle Sportart zu genießen. Durch die neue Anwurf-Regel ist Handball noch attraktiver geworden.

Sie meinen, dass die Anwurf-Zone erweitert wurde, der Fuß muss bei Ausführung nicht mehr auf der Linie stehen – das Spiel wird dadurch schneller.

Genau. Das Spiel ist dadurch deutlich schneller geworden, und es fallen noch viel mehr Tore. Ich glaube, das ist für jeden Zuschauer, auch für den, der Handball vorher vielleicht noch nicht so intensiv verfolgt hat, schon echt richtig interessant.

Mit schnellen Toren kann das DHB-Team vielleicht auch schneller Erfolge einfahren bei der WM. Was ist Ihr persönliches Gefühl?

Wir haben intern noch kein Ziel ausgesprochen. Aber ich denke, als Handballnation Deutschland sollten wir die Vorrunde verlustpunkfrei bestreiten – und dann muss man gucken. In der Hauptrunde ist alles möglich. Entweder läuft es – oder es läuft nicht. Mit genügend Selbstbewusstsein und Rückenwind können wir jeden schlagen.

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