AstraZeneca: Durchbruch – Experten erklären Thrombose-Fälle nach Impfung
AstraZeneca - Die europäische Arzneimittelagentur stuft den Impfstoff als sicher ein. Kurz darauf finden Forscher einen möglichen Grund für gefährliche Thrombosen bei der Impfung.
Update vom 19. März, 14:05 Uhr: Nach sehr seltenen Fällen schwerwiegender Thrombosen im Anschluss an eine AstraZeneca-Impfung ist der Einsatz des Vakzins zunächst vorübergehend gestoppt worden. Greifswalder Forscher wollen anhand von Blutproben eine mögliche Ursache für solche Thrombosen gefunden haben. Die Experten sehen einen Mechanismus für die Ursache der möglichen Thrombose-Fälle nach einer AstraZeneca-Impfung: „Wir wissen, um was es sich handelt“, sagt Andreas Greinacher, Leiter der Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald (UMG), am Freitag in einer Videoschalte mit Journalisten und Journalistinnen. Demnach können bei den selten auftretenden Hirnvenenthrombosen bestimmte Moleküle des Immunsystems eine Rolle spielen.
Unternehmen | AstraZeneca |
Hauptsitz | Cambridge, UK |
CEO | Pascal Soriot |
Gründung | 6. April 1999 |
AstraZeneca Nebenwirkung: Warum bilden sich gefährliche Thrombosen nach der Impfung?
Bisher sind die Ergebnisse aber nicht von weiteren unabhängigen Experten überprüft worden. Eine ähnliche Vermutung haben bereits am Donnerstag (18. März) Forscher in Norwegen geäußert: Pal Andre Holme vom Universitätsklinikum Oslo vermutet in diesem Zusammenhang folgendes:
Die Impfung provoziert eine starke Immunantwort. Soweit ist das erst einmal nichts ungewöhnliches, denn die Produktion von Antikörpern ist die Zielsetzung einer Impfung. Diese können anschließend Krankheitserreger wie Bakterien und Viren im Körper ausschalten. Doch bei den Thrombosefällen können die erwünschten Antikörper an die Blutplättchen andocken und diese aktivieren. Dadurch bilden sich dann die gefährlichen Blutgerinnsel im Gehirn – diese Theorie sei jedoch lediglich eine Vermutung betonen die Forscher.
Konkrete Hinweise darauf, dass die Impfungen tatsächlich die Vorfälle verursacht haben, hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA bislang nicht gefunden. Im Gegenteil, sie bekräftigt am Donnerstag (19. März) die Sicherheit des Impfstoffs. Dieser soll nun mit der Warnung versehen werden, dass er in möglichen seltenen Fällen Hirnvenenthrombosen verursachen könnte.
AstraZeneca-Impfung: Trotz Freigabe – Experte rät bestimmten Gruppe zur Vorsicht
Erstmeldung vom 18. März, 20:30 Uhr: Nach sieben gemeldeten Fällen von Blutgerinnseln in zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung von AstraZeneca stoppt die Bundesregierung am Montag (15. März) den Einsatz des Vakzins. Wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilt, gibt es mittlerweile 13 gemeldete Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang mit der Corona-Impfung. Insgesamt handele es sich um zwölf Frauen und einen Mann im Alter von 20 bis 63 Jahren. Drei von ihnen sind mittlerweile gestorben. Nach einer Prüfung durch die europäische Arzneimittelagentur (EMA) sieht die Behörde grundsätzlich keine erhöhte Gesundheitsgefahr durch den Einsatz des Impfstoffes von AstraZeneca und empfiehlt eine Fortsetzung der Impfungen.
„Der Impfstoff ist sicher und effektiv gegen Covid-19, und die Vorteile sind wesentlich größer als die Risiken“, sagt EMA-Chefin Emer Cooke am Donnerstag in Amsterdam nach einer Sondersitzung des Sicherheitsausschusses. Obwohl es nicht ausgeschlossen ist, dass die Impfung die Vorfälle verursacht hat, gebe es zugleich keine Hinweise darauf. Aus diesem Grund werden die Prüfungen und Studien auch fortgesetzt. Außerdem werde in den Hinweisen eine extra Warnung vor möglichen seltenen Fällen von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen hinzugefügt. Wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Donnerstagabend mitteilt, werden die Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin am Freitag (19. März) deutschlandweit wieder aufgenommen.
AstraZeneca als sicher eingestuft: Infektiologe rät einer Gruppe dennoch zur Vorsicht
Der deutsche Infektiologe und Professor vom Uniklinikum Regensburg, Bernd Salzberger, rät bei einer bestimmten Gruppe jedoch zu einem Abwägen des Risikos. „Bei Frauen vor der Menopause, die ein sehr geringes Risiko für Covid-19-Komplikationen haben, sollte man derzeit überlegen, ob die Impfung mit AstraZeneca erfolgen sollte“. Für einen 80-jährigen männlichen Risikopatienten sähe das Risiko-Nutzen-Verhältnis in Anbetracht der dritten Coronavirus-Welle ganz anders aus. Die bisher bekannten Fälle von Blutgerinnseln betreffen fast ausschließlich Frauen. Der Infektiologe betont, dass noch offen sei, ob eine genetische Veranlagung oder bestimmte Medikamente eine Rolle spielen könnten. Die Klärung dürfte noch Wochen in Anspruch nehmen.

Die Entscheidung der EMA bewertet Salzberger als erwartbar, der Nutzen der Corona-Impfung überwiege ganz klar. „Es sind ungewöhnliche, seltene Ereignisse“, sagt er mit Blick auf die Hirnvenenthrombosen und begrüßt, dass die Behörde einen Warnhinweis in die Patienten- und Fachinformation aufnehmen wolle. „Das Verfahren insgesamt zeigt, dass das Netzwerk der Arzneimittelsicherheit funktioniert“, stellt er fest.
AstraZeneca-Impfung wichtiges Mittel im Kampf gegen die Corona-Pandemie
Der Impfstoff von AstraZeneca ist als drittes Vakzin im Kampf gegen die Corona-Pandemie in der EU zugelassen worden und spielt in der Impfstrategie eine wichtige Rolle. Obwohl der britisch-schwedische Hersteller Lieferschwierigkeiten hat, sind 70 Millionen Impfdosen für das zweite Quartal vorgesehen.
Da das Vakzin im Gegensatz zu dem Impfstoff von BioNTech oder Moderna nicht so stark gekühlt werden muss, soll es auch in Hausarztpraxen verimpft werden dürfen. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben diesen Übergang bereits für den 19. April angepeilt. Beim Impfgipfel am Freitag, 19. März, soll unter anderem geklärt werden, wie der Corona-Impfstoff zwischen den Arztpraxen und den Impfzentren aufgeteilt werden soll. Die Länder wollen ihre Einrichtungen zunächst parallel weiterbetreiben.
„In Impfkampagnen ist es Routine, potenzielle unerwünschte Ereignisse zu melden. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass die Ereignisse mit der Impfung in Verbindung stehen“, sagt der europäische WHO-Regionaldirektor Hans Kluge in Kopenhagen. Offen bleibt, wie sich die Diskussion über Risiken des AstraZeneca-Impfstoffes auf das Vertrauen der Bevölkerung auswirken wird. In den nächsten Monaten werden größere Mengen Impfstoff in Deutschland erwartet.
Im zweiten Quartal sieht die Bundesregierung einer Lieferung von 40,2 Millionen BioNTech/Pfizer-Impfdosen entgegen, von AstraZeneca sind 16,9 Millionen vorgesehen gewesen, von Moderna sollen weitere 6,4 Millionen Dosen eintreffen. In der zweiten Aprilhälfte wird außerdem der Lieferbeginn des kürzlich zugelassenen Corona-Impfstoffes von Johnson & Johnson erwartet.
Impfstoff von AstraZeneca: Intensivmediziner schlägt Ausnahmen in Impfreihenfolge vor
Nach der Freigabe von AstraZeneca durch die EMA schlagen Intensivmediziner Ausnahmen in der Impfreihenfolge vor. „Das Vertrauen in den Impfstoff hat jetzt leider stark gelitten. Es wäre daher sicher eine gute Möglichkeit, AstraZeneca für Freiwillige zur Verfügung zu stellen, die keine Angst haben und in der Impfreihenfolge aber noch gar nicht berücksichtigt werden“, erklärt der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, am Donnerstagabend. Jede Impfdosis müsse nun so schnell wie möglich eingesetzt werden. (kp mit dpa)