Aktenzeichen XY (ZDF): Mit Rudi Cerne zum Couch-Kommissar
43 Jahre auf Sendung, über 4500 behandelte Fälle, Einschaltquoten wie bei WM-Spielen der Fußballnationalmannschaft: „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ ist Kult. Alle Fakten zur Sendung:
Es ist Freitag, der 20. Oktober 1967, 20:15 Uhr. Fernseh-Deutschland hat sich vor den Bildschirmen versammelt. Ein Mann mit zurückgekämmtem, schwarzem Haar und Anzug spricht in Richtung Kamera: „Den Bildschirm zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen – das meine Damen und Herren ist der Sinn unserer neuen Sendereihe ‚Aktenzeichen XY ... ungelöst‘, die ich ihnen heute vorstellen möchte“. So beginnt die erste Folge der Kultsendung im ZDF.
Aktenzeichen XY ... ungelöst: Moderator Eduard Zimmermann schafft Weltneuheit
Der Mann, der die erste und 299 weitere Folgen von „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ moderiert, heißt Eduard Zimmermann. Ihm kommt auch die Idee zu dem Format. In seiner Sendung „Vorsicht Falle! – Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ warnt er seine Zuschauer vor Trickbetrügern und sucht mit Fotos und Namen nach den Tätern. Das bringt ihn auf den Gedanken, in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei unaufgeklärte Verbrechen in einer eigenen Sendung zu behandeln. Die Idee zu „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ ist geboren.
Unmittelbar nach der ersten Sendung nimmt die Polizei einen der dort Gesuchten fest: „Bauernschreck“ Johann K., ein Melkmaschinen-Betrüger, hat die zweifelhafte Ehre, der erste durch eine „Aktenzeichen XY ... ungelöst“-Fahndung gefasste Verbrecher zu sein. Bereits 14 Minuten nach der Sendung wird er beim Kegeln in Bad Neuenahr-Ahrweiler festgenommen. Das ZDF feiert den Fahndungserfolg und den Erfolg des neuen Formats mit Stolz in der nächtlichen Tagesschau.
Aktenzeichen XY ... ungelöst: Zimmermann, Peters, Cerne
Eduard Zimmermann moderiert die ersten 300 Folgen von „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ und übergibt das Zepter am 24. Oktober 1997 an Butz Peters. Der Rechtsanwalt und Journalist moderiert gemeinsam mit Zimmermann-Tochter Sabine bis zum Dezember 2001. Mit der Folge am 18. Januar 2002 übernimmt Rudi Cerne die Sendung.

Die Fälle seiner ersten Sendung heißen „Mord am Weiher“, „Geldkoffer“, „Mord im Park“ und „Horaser Weg“. Im Fall „Mord am Weiher“ geht es um den 11-jährigen Tobias, der nicht vom Spielen nach Hause kommt und von seinem eigenen Vater erstochen aufgefunden wird. Erst zehn Jahre später gelingt die Aufklärung des Falls.
Aktenzeichen XY ... ungelöst: Wie erfolgreich ist die Sendung?
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Sendung im Oktober 2017 hat das ZDF Bilanz gezogen (Stand: 1. August 2017): In den vorangegangenen über 500 Folgen seit 1.967 sind 4.586 Fälle behandelt worden. 1.853 davon konnten aufgeklärt werden, was einer Erfolgsquote von 40,4 Prozent entspricht. Insgesamt sind 2.319 Täter festgenommen worden.
Fast jeder dritte Fall bei „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ handelt von einem Tötungsdelikt. Von den bisher 1.502 vorgestellten Tötungsfällen konnten im Laufe der Jahre 623, also 41,5 Prozent, aufgeklärt werden. Platz zwei in der Statistik belegen die Raubfälle (1.287 Fälle, 31,1 Prozent geklärt), gefolgt von Betrugsdelikten (589 Fälle, 59,7 Prozent geklärt), versuchten Tötungsdelikten (230 Fälle, 41,4 Prozent geklärt), Sexualdelikten (182 Fälle, 41,9 Prozent geklärt) und Vermisstenfällen (143 Fälle, 33,6 Prozent geklärt).
Im Rahmen der Fahndungen aus Deutschland sind am häufigsten Fälle aus Nordrhein-Westfalen (817 Fälle, 39,6 Prozent geklärt) behandelt worden, gefolgt von Bayern (544 Fälle, 45,4 Prozent geklärt) und Hessen (509 Fälle, 37 Prozent geklärt). Insgesamt sind 3.604 deutschte Fälle behandelt worden, 39,5 Prozent davon konnten aufgeklärt werden.
Bei den nichtdeutschen Fahndungen steht Österreich mit 469 Fällen an der Spitze (41,1 Prozent geklärt), gefolgt von der Schweiz mit 463 Fällen (47,5 Prozent geklärt). Auch die Niederlande stellten 15 Fälle in „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ vor (20 Prozent geklärt).
Aktenzeichen XY ... ungelöst: XY-Spezial
Seit Beginn der 2010er Jahre hat das ZDF in unregelmäßigen Abständen Spezialsendungen produziert, die thematisch ausgerichtet sind und Fälle aus einem bestimmten Gebiet behandeln:
- Wo ist mein Kind?: Seit 2011 wird ein- bis zweimal pro Jahr eine Spezialausgabe mit dem Titel „Aktenzeichen XY … ungelöst – Spezial – Wo ist mein Kind?“ ausgestrahlt, die sich ausschließlich mit Fällen beschäftigt, in denen Minderjährige oder junge Erwachsene als vermisst gemeldet sind.
- Vorsicht, Betrug!: Am 26. Oktober 2016 beschäftigte sich erstmals eine Spezialausgabe mit dem Titel „Aktenzeichen XY … ungelöst – Spezial – Vorsicht, Betrug!“ ausschließlich mit Fällen, die dem Thema Prävention zuzuordnen sind.
- Vorsicht, Urlaubsfalle!: Am 30. Mai 2018 beschäftigte sich erstmals eine Spezialausgabe mit dem Titel „Aktenzeichen XY … ungelöst – Spezial – Vorsicht, Urlaubsfalle!“ ausschließlich mit Fällen, die dem Thema Prävention für Urlaub und Reise zuzuordnen sind.
- Aktenzeichen XY … gelöst: Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Sendung gab es am 15. November 2017 eine erste Spezialausgabe mit dem Titel „Aktenzeichen XY … gelöst“. Die Sendung widmete sich wie die gleichnamige Teilrubrik ausschließlich aufgeklärten Fällen aus 50 Jahren. Weitere Spezialausgaben mit diesem Titel wurden am 28. November 2018 und am 15. Juli 2020 ausgestrahlt. In allen Sendungen war die Kriminalpsychologin Lydia Benecke zu Gast und analysierte gemeinsam mit Rudi Cerne die gelösten Kriminalfälle aus wissenschaftlicher und psychologischer Perspektive.
- Cold Cases: Am 4. November 2020 hat sich eine Spezialausgabe mit dem Titel „Aktenzeichen XY … ungelöst – Spezial – Cold Cases“ erstmals ausschließlich mit Cold Cases beschäftigt, also zurückliegenden Mordfällen, in denen alle Spuren abgearbeitet sind. Die Polizei hat sich mit vier Fällen, darunter zwei Tötungsverbrechen an Kindern, an die Zuschauer gewendet. Das Format hat großes Interesse beim Publikum gefunden und ist von 5,72 Millionen Zuschauern verfolgt worden, was einem Marktanteil von 17,3 Prozent entspricht.
Aktenzeichen XY ... ungelöst: Kritik
Das XY-Spezial „Wo ist mein Kind?“ sieht sich Kritik seitens des Spiegels ausgesetzt. Im Artikel „Voll auf die Tränendrüse“ bezeichnet Autor Arno Frank das Spezial als „Real-Life-Doku-Soap“. Die 40-prozentige Aufklärungsquote bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ sei nicht das beste, sondern das einzige Argument für die Existenz der Sendung.
Auch im FAZ-Artikel „Mordfall Bögerl: Merkwürdigkeiten und Vorwürfe“ kritisieren die Autoren Philip Eppelsheim und Rüdiger Soldt die Einbeziehung von Angehörigen der Opfer durch provoziert emotionale Auftritte in der Sendung. Beispielhaft nennen sie den Fall Maria Bögerl, wo der Ehemann und die Kinder unter Tränen an den Entführer appellieren, sein Opfer freizulassen.
Anlässlich der 500. Sendung stellt WELT-Autorin Antje Hildebrandt in ihrem Artikel „‘Aktenzeichen XY‘ macht aus Verbrechen Kasperletheater“ fest, dass die filmische Verbrechensrekonstruktion der Sendung sich, im Gegensatz zur früheren Praxis, immer stärker dramaturgischer, oft überzogener Effekte bediene und die Sendung „den Zuschauer dort ab[hole], wo er steht: mit einem Bein in amerikanischen Krimiserien wie ‚CSI‘, mit dem anderen in den gescripteten Dokus des Reality-TV“. Dadurch laufe das Format Gefahr, nicht mehr ernst genommen zu werden und sich auf das Niveau reiner Unterhaltungssendungen zu begeben. (lpb)