Video soll ukrainische Drohne zeigen, die Granaten auf Zivillisten wirft

Auf Twitter kursiert derzeit ein Video, das einen ukrainischen Angriff auf Zivilisten in Donezk zeigen soll. Doch es gibt Zweifel an den Umständen der Aufnahmen.
Donezk – Der Ukraine-Krieg ist auch ein Krieg in den sozialen Medien. Immer wieder tauchen auf Plattformen wie Twitter Videos aus den umkämpften Städten oder vom Schlachtfeld auf und bilden die grausame Realität der Kämpfe ab. Die Herkunft und Authentizität der Aufnahmen sind dabei oft unklar. Dennoch werden solche Videos immer wieder von Usern für ihre Zwecke instrumentalisiert.
Ukraine-Krieg: Umstrittenes Video – zeigt es ukrainischen Drohnenangriff auf Zivilisten?
So auch bei einem Clip, der zum Beginn der Woche auf Twitter vermehrt geteilt wurde. Die Aufnahmen zeigen Häuser und eine Straße aus der Vogelperspektive und wurden offenbar von einer Drohne aufgenommen. Auf der Straße befinden sich Menschen, über denen die Drohne zu schweben scheint. Die Aufnahmen zeigen weiter, wie die Drohne einen granatenähnlichen Sprengkörper abwirft, der beim Aufprall detoniert.
In dem geteilten Video sind mehrere solcher Szenen zusammengeschnitten. Einmal kann die ins Visier genommene Person scheinbar unverletzt fliehen. In einem anderen Video springt ein Mensch nach der Detonation in ein Fahrzeug und ergreift ebenfalls die Flucht. Eine weitere Person bleibt jedoch am Boden liegen und robbt sich – scheinbar verwundet – in einen naheliegenden Hauseingang.
Drohne wirft wohl Granate über Donezk ab – gängige Kriegspraxis
Verbreitet wurde das Video zum Großteil von prorussischen Accounts, welche die Szenen für ihre Follower einordnen. „Sie werden dies niemals in den westlichen Mainstream-Medien sehen: Ukrainische Quadrocopter-Drohne wirft Granaten auf Zivilisten in der Stadt Donezk“, schreibt ein User zu den Aufnahmen. Alleine über seinen Kanal wurde das Video über 340.000 Mal abgerufen. Doch zeigen die Bilder tatsächlich ukrainische Angriffe auf Zivilisten?
Die gezeigte Angriffsmethode stellt im Ukraine-Krieg keine Seltenheit dar. Bereits in der Vergangenheit häuften sich die Berichte, dass beide Kriegsparteien Quadrocopter-Drohnen nutzen würden, um Sprengladungen und Granaten abzuwerfen. Der große Vorteil bei diesem Vorgehen sind die geringen Kosten. Oft werden handelsübliche Freizeit-Drohnen benutzt, die mit Abwurfvorrichtungen modifiziert werden. Diese sind im Vergleich zu militärischen Drohnen extrem preiswert. Im Januar wurde berichtet, dass auch die russische Söldner-Armee „Gruppe Wagner“ sich eine eigene Drohnen-Flotte aufbauen wolle.
Umstrittenes Video aus der Region Donezk – Angriff auf Zivilisten oder Soldaten?
Die Aufnahmen würden somit keine neuen Praktiken zeigen. Darüber hinaus scheinen zumindest Teile der Aufnahmen aus dem Gebiet um die Stadt Donezk zu stammen. Das berichtet das Portal Newsweek. Das Video sei dem Bericht zufolge erstmals am 24. Februar über den Telegram-Kanal Romabrom veröffentlicht worden. Dort lässt sich in den Kommentaren auf das Video auch ein Hinweis auf den Aufnahme-Ort finden. Der Angriff erfolgte demnach westlich der Stadt Donezk.
Das Video scheint somit zumindest was Zeit und Ort betrifft authentisch zu sein. Doch zeigt es auch wirklich den Angriff auf Zivilisten? Der Telegram-Kanal Romabrom veröffentlichte zu den Aufnahmen folgende Beschreibung: „Grüße an die Mitarbeiter des MGB und an ein paar Donzeker Schurken von der 59. Brigade. Die Grüße wurden heute direkt in Donezk zugestellt.“ Die in dem Video attackierten Personen sollen demnach Angehörige des Militärs und des Ministeriums für Staatssicherheit (MGB) sein.
Prorussische Nutzer teilen Video auf Twitter – keine Beweise für ukrainischen Angriff auf Zivilisten
Auch auf Twitter wiesen mehrere Nutzer darauf hin, dass die Personen in den Videos Uniformen oder Waffen tragen würden. Wegen der schlechten Qualität der Videos können die Bilder jedoch nicht zweifelsfrei darlegen, dass es sich bei den Personen um Angehörige des Militärs handelte. Die Stadt Donezk steht unter der Kontrolle der russischen Armee, sowie Kämpfern der selbsternannten Volksrepublik Donezk. Dass sich Soldaten auf den Straßen der Stadt aufhalten und patrouillieren, ist demnach keine Seltenheit.
Öffentliche Klarstellungen von der ukrainischen Militärführung oder Vertretern der 59. Brigade zu den gezeigten Angriffen gibt es jedoch nicht. Anhand der vorliegenden Informationen gibt es jedoch keine Beweise, dass es sich bei den in den Videos attackierten Personen um Zivilisten handelt.
In der Region Donezk finden derzeit weiterhin erbitterte Kämpfe um die Stadt Bachmut statt. Russischen Truppen und Wagner-Söldnern war es zuletzt gelungen, die Stadt weitestgehend einzukreisen. Ukrainischer Verteidiger harren jedoch weiterhin in der Stadt aus. (fd)